Die letzten Wochen. Waren wild. Waren aufregend. Waren verstörend. Zehrend. Und das Leben.
Immer mehr der Impuls. Übers Jetzt zu schreiben. Über das ist. Nicht das war.
Ich will alles erzählen. Dachte ich immer. Erst die Vergangenheit. Damit man das Jetzt überhaupt versteht. Damit man versteht. Warum ich so bin. So lebe. So fühle. Und denke.
Aber die Gegenwart so da. So viel. Was ich teilen will. Und immer noch die Unkenntnis im Außen. Die Fragen. Die Rätsel. Natürlich. Woher auch die Antworten. Wie geht es mir jetzt? Was ist jetzt? Warum tue ich dies? Und warum jenes nicht? Warum?
Darum der Entschluss. Es geht beides. Ich schreibe übers Jetzt. Im Jetzt. Und über das was war. Vergangenheit.
Aber was eigentlich genau? Was will ich teilen? Was kann ich teilen? Wie verletzlich will ich mich machen? Wie viele Tabus will ich brechen?
Was kann passieren? Was, das ich nicht tragen könnte?
Nichts.
Alles.
Es ging mir gut. Die letzten Wochen. Monate. Es wurde immer besser. Viele gute Tage. Auch mal gute Wochen. Fast kaum noch Schmerzen. Manchmal der Kopf. Manchmal so doll, dass die Angst wieder kam. Die Verzweiflung. Manchmal nur ein wenig.
Manchmal der Magen. Die Verdauung. Manchmal so doll, dass ich wieder nicht wusste, was soll ich essen. Wie streng muss ich sein, dass es geht. Die Enttäuschung nach einem Essen mit Freunden. Drei Tage Schmerzen und Verdauungsbeschwerden. Was kann ich? Was kann ich mir erlauben? Dann auch wieder gute Tage. Alles scheint so normal.
Oft die Erschöpfung. Aber immer weniger. Immer mehr, was ich leisten kann. Meine Morgenroutine. Mein Hund. Meine Weiterbildungen. Beratungen geben. Der Haushalt. Alles immer mit Bedacht. Bloß nicht zu viel. Sonst kippt es. Sonst kommen die Schmerzen. Die Erschöpfung. Und mit ihnen alles. Die Traurigkeit. Die Angst. Die Verzweiflung. Hilflosigkeit. Wut. Ein Drahtseilakt. Mal mehr. Mal weniger.
Dann kam der Brief. Mein Arbeitslosengeld 1 läuft aus. Mitte Dezember. Ich wusste es. Hatte auf eine Verlängerung gehofft. So wie bereits im September. Aber es war absehbar. Vorhersehbar.
Meine Erwerbsminderungsrente. Im Widerspruch. Gutachten werden eingereicht. Meine Hausärztin plädiert auf 5 Jahre. Ich bräuchte noch. Sie wüsste nicht, ob und wann es jemals wieder so werde wie vorher. Ich hätte große Sprünge gemacht Anfang des Jahres. So fühlte es sich auch an. Es war so gut. Aber seit Spätsommer eine Stagnation. Immer noch kein Level, um regulär zu arbeiten. Sie hoffe, dass es mir in 2-3 Jahren sehr viel besser gehe. Irgendwie erstaunt es mich. Ich hatte gehofft. Dass sie sagt in einem Jahr. Das waren zu Beginn von 2020 ihre Worte. Nun sind es andere. Ich werde traurig. Ratlos.
Was wenn die Rente nicht klappt? Wie lange reicht mein Erspartes? Was ist danach? Wenn ich alles Ersparte für meinen Lebensunterhalt ausgegeben habe? Wenn dann da nichts mehr ist. Für Träume. Für Sehnsüchte. Für ein Haus. Eine Hütte. Mit Kamin. Auf dem Land. Mein Traum. Meine gefühlte Sicherheit. Was wenn ich tatsächlich schwanger werde? Mein doch sehnlichster Wunsch. Wieviel Geld braucht man für ein Kind? Wo können wir wohnen? Wie bekommt man eine Wohnung ohne Einkommen? Und was passiert wenn ich wieder arbeite? So, dass ich damit genug zum Leben verdiene? Wird es mir dann wieder schlechter gehen? Wie schlecht wird es mir gehen? Was werde ich aushalten können? Wie werde ich es aushalten? Und wie bezahle ich meine private Ärztin (die einzige, die mir bisher wirklich helfen konnte) dann, wenn ich kein Geld mehr habe? Und was werde ich überhaupt arbeiten? Wie treu kann ich mir dann bleiben? Wie unglücklich wird mich das erneut machen?
Und dann: Was davon ist wirklich Not? Was davon darf ich fragen? Ohne mich selbst in Frage zu stellen. Meine Werte. Manchmal fällt es mir so schwer. Das zu wissen. Was sind Träume. Wünsche. Was ist Recht? Gibt es ein Recht auf Gesundheit? Auf ein Kind? Darf ich traurig sein, wenn ich Schmerzen aushalten und mit Erschöpfung leben muss? Darf ich wütend und verzweifelt werden, wenn mir das, was mir ein großes Stück Heilung gebracht hat und bringt, genommen wird, durch den Zwang zu arbeiten? Wenn ich mein Erspartes für meine Miete und mein Essen nutze, und mein Traum von einem Häuschen auf dem Land, damit schwindet? Wenn ich erkenne, dass für uns vielleicht die großen Träume nie wahr werden können, weil auch ich dafür regulär arbeiten müsste? Weil es mir dafür gut gehen müsste. Ich leistungsfähig und belastbar sein müsste. Wenn damit mein Bild von Sicherheit zusammenbricht und ich Angst vor der Zukunft bekomme? Wenn ich mir eingestehen muss, dass es ein finanzielles Privileg ist, Biolebensmittel zu kaufen und sich naturheilkundlich ärztlich behandeln zu lassen? Wenn man ansonsten gezwungen ist, sich von der Schulmedizin fragwürdig behandeln zu lassen oder vor ratlosen Ärzten zu sitzen und einem nicht geholfen werden kann? Wenn man, weil man durch eine Chemotherapie schulmedizinisch unfruchtbar geworden ist, fast 10.000 Euro für eine Eizellspende ausgeben darf, weil das in Deutschland verboten ist und selbst wenn es erlaubt wäre, die Krankenkassen es nur zur Hälfte und nur bei verheirateten Paaren bezahlen würden? Wenn man nur das eine Sparkonto hat und wenn das leer ist, ist da nichts mehr. Und das Angst macht. Mir. Angst. macht.
Wenn man sich fragt, wie das eigentlich alles kommen konnte.
Düstere Gedanken. Der Fokus so sehr aufs Negative. Das bin nicht ich. Das will ich nicht sein. Nicht werden.
Und dann sind sie da. Die Schmerzen in den Beinen. Meine alten Begleiter für fast 4 Jahre. Damals anfangs wöchentlich, dann täglich. Ich liege im Bett und alles tut weh. Mein Kopf, mein Gesicht, mein Magen, meine Beine. Aber am meisten mein Herz. Die Angst erdrückt mich. Sind sie wieder da? Diese unerträglichen Gliederschmerzen. Die mir zeitweise meinen Mut zu Leben genommen haben. Die mich wortwörtlich in die Knie gezwungen haben. Die alles verändert haben. Die mein Leben auf den Kopf gestellt haben. Jetzt. Alles steht still. Ich lausche in meinen Körper. Was will mir der Schmerz sagen?
Ich weiß mittlerweile so viel mehr. Der Schmerz ist mein Signal. Der Schrei meines Körpers. Meines Geistes. Meiner Seele. Stop. Stop schreit er. Hör auf.
Angst. Ich habe Angst. Angst, dass Arbeit mich wieder krank macht. Angst, dass die Schmerzen zurück kommen. Dass ich handlungsunfähig bin. Nicht für mich sorgen kann. Dass es wieder so wird wie vorher. Wie die letzten 4 Jahre. Mit voller Wucht. Und Wut. Wut, weil ich das nicht nochmal aushalten möchte. Wut, weil die Arbeit, der Prozess der letzten 3 Jahre nicht umsonst gewesen sein soll. Wut über das System. Ein System, dass nie alles sieht. Das in Schubladen denkt und arbeitet. Das Scheuklappen auf hat. Das lieber blind, als wahrhaftig ist. Traurigkeit. Traurigkeit, über die Situation. Über mich.
Ich horche. Ich fühle. Und ich lasse zu. Ich lasse all diese Fragen. Die Gefühle. Die Ängste. Die Wut. Die Traurigkeit. Zu.
Für einen Moment. Darf es da sein. Ich muss nicht kämpfen. Ich darf. Ängstlich sein. Wütend sein. Traurig sein. Ich gebe mich hin. Ich weine. Ich weine. Und ich weine.
Am nächsten Morgen. Ich stehe auf. Den Kopf erhoben. Meditation. Yoga-Praxis. Es geht weiter. Der Schmerz hat nachgelassen.
Den Antrag ausfüllen. Eine Hilfe. Maximal 6 Monate. Es ist ok. Ich bin im Vertrauen. Alles ist gut. Alles wird gut.
Die nächsten Tage. Ich merke, wie stark ich bin. Merke, was ich alles leisten kann. Wie viel stärker ich bin, also noch vor einem Jahr. Was alles schon wieder möglich ist. Wie die Zeit heilt. Wie ich heile. Ich bin im Vertrauen. Es hat einen Sinn. Einen Grund.
Und dann die E-mail.
Eine Eizellspende. Ist da. Für mich. Für uns. Mein Herz hüpft. Klopft. Strahlt.
Freude. Zuversicht. Vertrauen.
Nach 5 Tagen das Ergebnis der Eizell-Entwicklung. Eine Blastozyste konnte eingefroren werden. Eine. Nur. Immerhin.
Zweifel. Mutlosigkeit. Leere.
Nur ein Versuch. Und dann? Nochmal?
Nochmal der Aufwand. Das Warten. Das Geld. Die Hoffnung. Und dann?
Eine Achterbahn.
Eine Blastozyste. Die eine. Die es werden sollte. Die es werden wollte. Es ist völlig ausreichend. Es ist gut.
Ein Telefonat mit der Klinik. Die Spenderin. So groß wie ich. So schwer wie ich. Die Haare blond. Die Augen blau. 23 Jahre alt. Mehr wird es nie geben. Mehr werden wir nie erfahren. Verrückt. Absurd. Das Leben.
Ich will direkt loslegen. Bin so aufgeregt. So freudig.
Ein Plan wird gemacht. Eine Weile muss ich noch warten. Alles muss abgestimmt werden. Koordiniert werden.
Zweifel kommen wieder. So viele Hormone. Werde ich nehmen müssen. Wie wird es mir damit gehen? Werden die Verhärtungen in der Brust dann wieder zunehmen? Und damit die Angst? Werde ich Nebenwirkungen haben? Wie leistungsfähig bin ich dann? Was werde ich überhaupt noch machen können? Ist es verrückt ein Kind zu bekommen, wenn man keinen Job hat? Kein Einkommen?
Die Achterbahn. Tief. Ein Kind. Ohne einen Job. Ohne Einkommen. Mit begrenzter Energie. Belastbarkeit. Mit so viel Zeit und Aufmerksamkeit. Auf mich. Auf meinen Heilungsweg. Kann ich davon etwas abgeben? Will ich das? Was passiert dann?
Mir wird schwindlig. Ich habe das Gefühl von Leere. Was tue ich? Was will ich?
Ist es überhaupt mein Seelenplan? Meine Aufgabe? Die Worte, einer mir sehr nahe stehenden Person, kommen immer wieder in mein Ohr: “ Du hast es nicht verdient, ein Kind zu bekommen“. Sie waren anders gemeint. Sie waren vielleicht sogar tröstlich gemeint. „Es ist nicht für dich vorgesehen, ein Kind zu bekommen. Nicht in diesem Leben. Etwas anderes wartet auf dich.“ Vielleicht so.
Und doch. Sie machen so traurig. Sie tun so weh. Es tut so weh. Was, wenn es doch so ist? Was, wenn ich vielleicht nicht wahrhaben will, was so offenkundig ist?
Wie viel Eingriff ist ok? Wie viel Manipulation? Wie viel Risiko?
Und was ist Wunsch? Was ist Illusion?
Werde ich die Schwangerschaft gut überstehen? Werden meine Hormone verrückt spielen? Und damit auch meine Probleme im Vaginalbereich wieder stärker werden? Zurückkommen? Meine Gynäkologin hat es bereits angedeutet. Nach der Geburt könne es schwierig werden. Man müsse mich dann gut einstellen. Gut betreuen.
Aber. Will ich das riskieren? Was bedeutet das für meine Partnerschaft? Will ich da nochmal hindurch? Bin ich nicht immer noch da drin? Es tut wieder weh. Mal mehr. Mal weniger. Es gab schon gute Phasen. Gerade ist keine. Geschlechtsverkehr ohne Schmerz. Ein Wunsch. Mit Hoffnung.
Und doch.
Schwanger sein. Gebären. Mutter sein.
Es ist mein Wunsch. Und gleichzeitig meine Angst.
Ich will mich hineinstürzen. Will es wagen. Mit allem. Was dazugehört.
Den Hormonen. Den Medikamenten. Der Aufregung. Dem Bangen. Der möglichen Enttäuschung.
Den körperlichen Veränderungen. Den Möglichkeiten. Vielleicht wird es schwer. Vielleicht wird es leicht.
Der finanziellen Unsicherheit. Den Herausforderungen.
Aber auch.
Der Hoffnung. Dem Vertrauen. Dem Mut.
Dem Wunder.
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