Im Krankenhaus. Mein neues Zuhause auf Zeit. Wieviel Zeit? Und möchte man ein Krankenhaus sein neues Zuhause nennen? Nein. Nie. Und dann doch.
Und die Begrüßung? Knochenmarkpunktion. Ein weiteres Mal. Wieder keine Narkose. Diesmal meine Mutter neben mir. Fast fällt sie in Ohnmacht. Gut, dass ich schon liege. Muss ja wirklich übel aussehen, was die da mit mir machen.
Bei der ersten klappt etwas nicht richtig. Weiß nicht mehr warum. Also nochmal. Wie hält ein Körper, ein Becken das aus? Eigentlich nicht, wie ich heute weiß.
Die weiteren Erinnerungen: Bruchstücke. Ich liege in einem Zimmer. Eigentlich soll es losgehen. Direkt heute, spätestens morgen. Chemotherapie.
Stopp habe ich gesagt.
Warum?
Ich weiß nicht mehr wer es sagte. Ob es meine Mutter war. Meine innere Stimme. Meine Tante. Weiß noch, dass es kein Arzt war. Es gab kein Beratungsgespräch mit Zeit, mit Empathie, mit Hoffnung. Es war uns nur irgendwann klar:
Nach der Chemotherapie werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach unfruchtbar sein.
Ein Schlag. Ein Schock. Aber hey, nicht einfach akzeptieren. Kämpfen.
Also was bitte? Es gibt keine anderen Möglichkeiten?
Doch, die gibt es. Eizellen können kryokonserviert werden. Aber dafür braucht man Zeit. Zwei Wochen. Die habe ich aber nicht. Das Risiko zu hoch. Ich könne eine Lungenentzündung bekommen. Mir da draußen etwas einfangen. Sterben, bevor es überhaupt losgegangen ist.
Allein. Allein mit der Entscheidung. Dann meine Tante. Ist Ärztin und wir fragen sie um Rat. Ist es leichtsinnig? Ist es vertretbar?
Die Zeit drängt. Bis heute Abend hat man mir gegeben.
Ich überlege. Telefoniere. Gehe in mich. Eigentlich weiß ich es schon. Ist es mir klar.
Ich entscheide mich dafür. Entscheide mich für die Chance später einmal Mutter werden zu können. Mit dem Risiko.
Am nächsten Morgen. Ich bin wieder draußen. Noch einmal Normalität. Wobei, hey, eigentlich ist nichts normal.
Ich wohne bei meiner Mutter und habe Leukämie. Jetzt versuche ich in ganz kurzer Zeit ganz viele Eizellen zu produzieren, damit ich dann später hoffentlich einmal Mutter werden kann. Ich bin 26 Jahre alt.
Das ist nicht normal. Das ist nicht das was meine Freundinnen gerade machen. Nicht das, was ich bis gestern dachte, ich würde demnächst tun.
Ich sitze auf dem Bett meiner Mutter und schreibe Nachrichten über Facebook an meine Freunde. Schreibe: „Hey, ich habe gestern erfahren, dass ich Leukämie habe. Aber musst dir keine Sorgen machen, das schaffe ich schon! Das krieg ich hin“.
Hab ich das wirklich geschrieben? Ja. Ja, das habe ich.
Es war mir so wichtig, dieses Bild zu vermitteln. Ich bin stark, ich schaff das, ihr müsst euch keine Sorgen machen. Ist grad bisschen doof, ok, aber ich krieg das schon hin.
Dieses Bild habe ich so viele Jahre versucht aufrecht zu erhalten. So so viele. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Bin umgefallen. Einfach zusammengesackt. War nicht mehr stark, wollte gar nichts mehr schaffen.
Aber dazu ein andermal. Später, viel später.
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